Teil I  

        Sie müssen gar nichts tun

  

Frage: U.G., würden Sie dem zustimmen, daß Sie sich in einem reibungsfreiem Zustand befinden? 

U.G.: Ich befinde mich nicht mit der Gesellschaft in Konflikt. Das ist die einzige Wirklichkeit, die ich habe, die Welt, so wie sie heute ist. Die vom Menschen erfundene ultimative Realität, hat mit der Realität dieser Welt nicht das geringste zu tun. Solange Sie jene Realität suchen (die Sie die ‘ultimative’ nennen, oder wie auch immer) und sie verstehen wollen, wird es Ihnen nicht möglich sein, mit der Wirklichkeit der Welt – und zwar genau so, wie sie nun mal ist – zurechtzukommen. Demnach wird alles, was Sie tun, um vor der Realität dieser Welt zu fliehen, es Ihnen nur schwerer machen, mit den Dingen Ihrer Umwelt in Harmonie zu leben. 

Wir besitzen eine Vorstellung dessen, was Harmonie ist. Wie man mit sich selbst in Frieden leben könnte – das ist eine Vorstellung. Es gibt einen außergewöhnlichen Frieden, der bereits vorhanden ist. Dadurch, daß Sie sich selbst eine Vorstellung davon schaffen, was Sie ‘Frieden’ nennen, wird es für Sie so schwierig, mit sich selbst in Frieden zu leben – denn dies ist eine Vorstellung, die in keinerlei Beziehung zum natürlichen Funktionieren Ihres Körpers steht. Wenn Sie sich von der Last befreien, dort draußen etwas festhalten und erleben zu müssen, um sich in dieser Wirklichkeit wiederfinden zu können, dann werden Sie herausfinden, daß es Ihnen gar nicht möglich ist, die Realität von irgend etwas zu erfahren; aber zumindest werden Sie nicht mehr in einer Welt der Illusionen leben. Sie werden akzeptieren, daß es nichts, aber auch gar nichts gibt, was Sie tun könnten, um irgendeine Wirklichkeit zu erfahren, außer derjenigen, die uns von der Gesellschaft aufoktroyiert wurde. Wir müssen die uns von der Gesellschaft auferlegte Realität akzeptieren, denn es ist absolut notwendig, daß wir in dieser Gesellschaft auf intelligente und vernünftige Weise funktionieren. Wenn wir diese Realität nicht annehmen, sind wir verloren. Wir werden in einer Anstalt landen. Also müssen wir die Realität so, wie sie uns von der Kultur und der Gesellschaft vorgegeben wurde, akzeptieren. Gleichzeitig müssen wir aber auch verstehen, daß es nichts gibt, was wir tun können, um die Realität von irgend etwas zu erleben. Wenn Sie das verstehen, werden Sie sich mit der Gesellschaft nicht in Konflikt befinden, und auch das Verlangen danach, etwas anderes sein zu wollen, als Sie es tatsächlich sind, wird endlich aufhören. 

Das Ziel, das Sie sich gesetzt haben und von dem Sie akzeptiert haben, daß es ein ideales und erstrebenswertes Ziel sei, ist nicht mehr vorhanden. Ebenso besteht auch kein Verlangen mehr, etwas anderes zu sein, als Sie es sind. Es handelt sich nicht darum, etwas zu akzeptieren, sondern es geht um die Ziele, die von der Gesellschaft vor uns aufgebaut worden sind und die wir für erstrebenswert halten. Diese Ziele werden von uns nun nicht mehr angestrebt und verfolgt. Es besteht auch kein Verlangen mehr danach, ein Ziel zu erreichen. Also sind Sie das, was Sie sind. 

Wenn Sie diesen Zwängen nicht mehr unterliegen und glauben, Sie müßten etwas anderes werden als Sie es tatsächlich sind, dann befinden Sie sich nicht länger in einem inneren Widerstreit. Wenn es die inneren Konflikte nicht mehr gibt, werden damit auch die äußeren Konflikte aufhören, die Sie mit der Gesellschaft austragen, in der sie leben. Solange Sie keinen Frieden mit sich selbst haben, ist es unmöglich, mit anderen in Frieden zu leben. Allerdings gibt es selbst dann keine Garantie dafür, daß auch Ihre Nachbarn friedfertig sein werden. Nur wird Sie das nicht mehr interessieren. Wenn Sie mit sich selbst in Frieden leben, dann stellen Sie für die Gesellschaft in ihrer jetzigen Form eine Bedrohung dar. Sie werden deshalb eine Bedrohung für Ihre Nachbarn darstellen, weil diese die Wirklichkeit der Welt als real akzeptiert haben und dabei nach so etwas Merkwürdigem suchen, das ‘Frieden’ genannt wird. Im Rahmen dessen, wie diese Menschen ihre eigene Existenz sehen und erleben, können Sie nur wie eine Bedrohung wirken. Also sind Sie ganz allein – und das ist nicht jenes Alleinsein, das die Menschen gemeinhin zu vermeiden trachten – Sie sind wirklich allein. 

Es ist nicht die ultimative Realität, an der Sie wirklich interessiert sind; weder die Lehren der Gurus oder der Geistlichkeit, noch die unzähligen Techniken, die Ihnen zur Verfügung stehen, werden Ihnen die Energie verschaffen, nach der Sie suchen. Diese Energie wird zu dem Zeitpunkt freigesetzt und in Gang gebracht werden, an dem die Denkprozeß aufgehört hat. Das kann weder durch die Lehren der Geistlichen geschehen, noch durch irgendwelche Techniken, die der Mensch erfunden hat – sondern weil es einfach keine Reibung mehr gibt. Man weiß wirklich nicht, was es ist.

Diese Bewegung dort (U.G. deutet auf die Zuhörer) und die Bewegung hier (deutet auf sich) sind identisch. Die menschliche Maschine unterscheidet sich in nichts von der Maschine da draußen. Beide arbeiten unisono. Was immer das hier für eine Energie ist – es ist die gleiche Energie, die auch dort draußen wirksam ist. Demnach ist jeglicher Energiezuwachs, den Sie spüren, weil Sie irgendwelche Techniken praktizieren, nur eine durch Reibung erzeugte Energie. Sie wird durch die Reibung des Denkens geschaffen – Ihr Verlangen danach, diese Energie zu erfahren, hat jene Energie, die Sie spüren, auch hervorgerufen. Diese Energie hier dagegen ist etwas, das gar nicht erfahren werden kann. Sie ist einfach ein Ausdruck des Lebens, eine Manifestation des Lebens. Man muß überhaupt nichts tun. 

Alles, was Sie unternehmen, um diese Energie erfahren zu können, behindert die bereits vorhandene Energie, die Ausdruck und Manifestation des Lebens ist, in ihrer Wirksamkeit. Die üblichen Wertmaßstäbe, die wir all unseren Tätigkeiten anlegen – den Techniken, Meditationen, dem Yoga und dergleichen, gelten hier nicht. Ich habe nichts gegen diese Dinge einzuwenden, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Aber das sind nicht die Mittel, mit denen Sie Ihr selbstgesetztes Ziel erreichen können – das Ziel selbst ist falsch. Wenn es der Zweck der Übung sein sollte, den Körper geschmeidig zu halten, dann werden die Yogatechniken Ihnen wahrscheinlich helfen können. Aber sie stellen nicht das richtige Mittel dar, um als Endzweck die Erleuchtung oder die Transformation, oder wie Sie es auch nennen wollen, herbeizuführen. Selbst die Meditationstechniken sind egozentrische Aktivitäten. All die von Ihnen angewandten Mechanismen erhalten sich andauernd selbst aufrecht. Also wird der Gegenstand Ihrer Suche nach der ultimativen Realität von diesen Techniken zunichte gemacht, denn auch diese Techniken sind Werkzeuge, die sich selbst erhalten. Sie werden plötzlich erkennen, oder es wird Ihnen klar werden, daß gerade auch diese Suche nach einer ultimativen Realität ein sich ewig fortsetzender Mechanismus ist. Es gibt nichts zu erreichen, nichts zu gewinnen, nichts zu erringen. 

Solange Sie etwas tun, um Ihr Ziel zu erreichen, erhält sich dieser Mechanismus andauernd selbst. Wenn ich den Ausdruck ‘sich selbst erhaltender Mechanismus’ benutze, meine ich damit nicht, daß es tatsächlich ein Selbst oder eine Wesenheit gäbe. Ich muß das Wort ‘Selbst’ gebrauchen, weil es kein anderes dafür gibt. Es ist wie die Selbstzündung, die Sie im Auto haben; sie hält sich selbst am Laufen. Nur daran ist dieser Mechanismus interessiert. Was immer Sie auch zu erreichen suchen – es ist eine egozentrische Tätigkeit. Wenn ich den Begriff ‘egozentrische Tätigkeit’ gebrauche, so interpretieren Sie das immer als etwas, das vermieden werden sollte, denn Ihr Ziel ist es ja, selbstlos zu sein. Solange Sie etwas unternehmen, um selbstlos zu sein, werden Sie ein egozentrisches Einzelwesen bleiben. Wenn die darauf gerichteten Bemühungen, ein selbstloser Mensch zu werden, einmal aufhören, dann gibt es auch kein Selbst mehr und keine egozentrische Tätigkeit. Also sind genau die Techniken, Systeme und Methoden, die Sie benützen, um Ihrem Ziel der Selbstlosigkeit näherzukommen, im Grunde nichts anderes als egozentrische Aktivitäten. 

Unglücklicherweise hat die Gesellschaft uns weisgemacht, daß die Selbstlosigkeit ein erstrebenswertes Ideal sei; schließlich kann ein selbstloser Mensch der Gesellschaft nur von Nutzen sein, und deren eigentliches Interesse liegt darin, die eigene Kontinuität, den Status quo, aufrechtzuerhalten. So wurden all diese Wertvorstellungen, die wir akzeptiert haben und von denen wir glauben, sie seien es wert erhalten zu werden, vom menschlichen Verstand nur aus dem Grund erfunden, um sich selbst in Gang zu halten. 

Diese Zielvorstellung ermöglicht es Ihnen, in dieser Weise weiterzumachen, aber erreichen werden Sie damit gar nichts. Sie haben die Hoffnung, daß Sie eines Tages durch irgendein Wunder oder durch die Hilfe von irgend jemanden dazu imstande sein werden, Ihr Ziel zu erreichen. Diese Hoffnung läßt Sie immer weitermachen, aber in Wahrheit kommen Sie nach nirgendwo. Irgendwann werden Sie erkennen, daß alles, was Sie unternehmen, um Ihrem Ziel nahezukommen, zu nichts führt. Dann werden Sie alles mögliche andere versuchen wollen. Wenn Sie es aber einmal versucht haben und dabei merken, daß es nicht funktioniert, dann sollten Sie erkennen, daß es mit allen anderen Systemen genauso ist. Das muß Ihnen vollkommen klar werden. 

Welcher Methode Sie sich auch verschrieben haben mögen – irgendwann einmal muß der Zeitpunkt kommen, wo es Ihnen allmählich dämmert, daß Sie das nicht weiterbringt. Solange Sie etwas wollen, werden Sie danach trachten, es auch zu bekommen. Dieses Wollen müssen Sie klar erkennen. Was wollen Sie? Das ist die Frage, die ich Ihnen andauernd stelle: „Was wollen Sie?“ Sie antworten: „Ich will mit mir selbst in Frieden leben“. Das Ziel, das Sie sich da gesetzt haben, ist ein unmögliches Ziel, denn alles, was Sie tun, um mit sich selbst in Frieden zu sein, zerstört den Frieden, der bereits vorhanden ist. Sie haben den Denkprozeß in Bewegung gesetzt, der den bestehenden Frieden zerstört. Es ist sehr schwer zu verstehen, daß alles, was Sie tun, genau das ist, was die bereits bestehende Harmonie und den Frieden stört. Jede Bewegung des Denkens in jedwede Richtung und auf jeder Ebene stellt einen Störfaktor für das einwandfreie und friedliche Funktionieren dieses lebendigen Organismus dar, der an Ihren spirituellen Erfahrungen überhaupt kein Interesse hat. Er interessiert sich für keine einzige dieser spirituellen Übungen, wie außergewöhnlich sie auch sein mögen. 

Wenn Sie einmal eine spirituelle Erfahrung gemacht haben, dann werden Sie mit Sicherheit immer mehr davon haben wollen, und schließlich möchten Sie andauernd in einem solchen Zustand leben. So etwas wie permanentes Glück oder immerwährende Seligkeit gibt es nicht. Sie glauben, daß es so etwas gäbe, weil all diese Bücher von ewig dauernder Wonne und immerwährendem Glück reden. Dabei wissen Sie eigentlich ganz genau, daß dieses Streben Sie nirgendwohin führt. Es ist also das von Ihnen eingesetzte Mittel, es ist der hier ablaufende Mechanismus, der Sie immer weitermachen läßt; das ist alles, wozu er taugt. Er ist durch jahrelange harte Arbeit und Willensanstrengung entstanden. Ihrem Bestreben, mittels Bemühung einen mühelosen Zustand hervorzurufen, wird kein Erfolg beschieden sein. Vergessen Sie den mühelosen Zustand also – es gibt ihn nicht. Sie wollen mit Anstrengungen einen Zustand der Leichtigkeit erreichen – wie sollte das jemals möglich sein? Sie vergessen, daß alles, was Sie tun, jede einzelne Bewegung und jegliches Wollen, ein Bemühen darstellt. 

Mühelosigkeit ist etwas, das sich nicht durch Bemühung erreichen läßt. Alles, was Sie tun, um mit dem Bemühen aufzuhören, ist selbst eine Bemühung. Eigentlich ist das zum Verrücktwerden. Sie sind in dieser Hinsicht noch nicht weit genug gegangen; wenn Sie es tun, werden Sie wirklich verrückt; aber davor haben Sie Angst. Sie müssen erkennen, daß alles, was Sie aus welchen Gründen auch immer zu tun versuchen, um in einen mühelosen Zustand zu gelangen, mit Anstrengung verbunden ist. Selbst ohne Anstrengung auszukommen, ist Anstrengung. Die völlige Abwesenheit jeglicher Art von Willen und das vollkommene Nichtvorhandensein von Anstrengung könnten als müheloser Zustand bezeichnet werden; aber dieser mühelose Zustand ist nicht etwas, was sich mittels Anstrengung erreichen ließe. 

Wenn Sie nur die Sinnlosigkeit dessen, was Sie tun, verstehen würden – Sie können die Techniken wechseln, Sie können die Lehrer austauschen, dabei stellen im Grunde genau die Techniken, die Sie benützen, um Ihrem Ziel näherzukommen, das eigentliche Hindernis dar. Es kommt gar nicht darauf an, welchem Lehrer Sie folgen. Wenn Sie die Lehre in Frage stellen, müssen Sie bedauerlicherweise auch den Lehrer in Frage stellen – dann aber kommt das Gefühl auf: „Irgendwas stimmt nicht mit mir, eines Tages jedoch werde ich es verstehen“. Wenn Sie es heute nicht verstehen können, werden Sie es nie verstehen. Also ist Verständnis eigentlich das Nichtvorhandensein des Verlangens nach Verständnis – ob heute oder morgen. 

Nun ist aber gar kein Verständnis nötig. Das Verständnis dient nur dem Zweck, morgen etwas zu verstehen – nicht heute. Heute müssen Sie überhaupt nichts verstehen. 

Das mag Ihnen komisch vorkommen, aber es ist tatsächlich so. Was also wollen Sie verstehen? Sie können mich überhaupt nicht verstehen. Ich habe jetzt zwanzig Tage lang geredet, und ich kann so weitermachen, aber Sie werden dann immer noch rein gar nichts verstanden haben. Und das nicht, weil es schwierig wäre. Es ist so einfach. Aber es ist gerade die hieran beteiligte komplexe [Denk]Struktur, die diese Einfachheit nicht akzeptieren kann. Darin liegt das eigentliche Problem. „So einfach kann es nicht sein“, denken Sie, denn die Struktur ist so komplex, daß sie nicht einmal die Möglichkeit in Erwägung ziehen will, es könnte einfach sein. Also werden Sie es morgen verstehen und nicht heute. Und morgen wird es wieder dasselbe sein, genau wie in zehn Jahren. Was also tut man in so einer Lage? Wir haben das alle schon erlebt. Entweder Sie drehen durch, oder Sie heben ab. Die Chancen durchzudrehen sind wirklich gut, wenn Sie versuchen, sich selbst in die Enge zu treiben. Aber das werden Sie nicht tun. 

Was wollen Sie denn verstehen? Ich gebe keine profunden Dinge von mir. Ich habe Tag für Tag immer wieder das gleiche gesagt. Im Grunde scheint Ihnen das alles sehr widersprüchlich zu sein. Was ich mache – Sie verstehen nicht, was ich mache – ist, daß ich eine Aussage treffe; die zweite Aussage negiert dann die erste. Manchmal erkennen Sie Widersprüche in dem, was ich sage. Tatsächlich gibt es da aber keine Widersprüche. Diese Aussage drückt das nicht aus, was ich auszudrücken versuche, also negiert die zweite Aussage die erste. Die dritte Aussage negiert die ersten beiden Aussagen und die vierte die drei vorhergegangenen; und das geschieht nicht mit der Absicht, Ihnen irgend etwas mitzuteilen. Es gibt nichts mitzuteilen. Nur diese Abfolge von Negierungen. Es geschieht auch nicht aus der Überlegung heraus, ein Ziel zu erreichen. Ihr Ziel ist das Verständnis, Sie möchten verstehen. Hier gibt es nichts zu verstehen. Jedesmal, wenn Sie glauben, einen Sinn ausgemacht zu haben, versuche ich darauf hinzuweisen, daß dem nicht so ist. Das ist nicht die Doktrin des ‘Neti–Neti’. 

Sie wissen, daß man in Indien diese negative Betrachtungsweise entwickelt hat. Aber die sogenannte negative Betrachtungsweise ist eigentlich eine positive, denn das eigentliche Motiv der Menschen liegt nach wie vor darin, ein Ziel zu erreichen. Sie sind mit der positiven Annäherung gescheitert, daraufhin haben sie eine sogenannte negative Annäherung erfunden. ‘Nicht dies, nicht dies, nicht dies’ (Sanskrit: ‘Neti–Neti’). Sehen Sie, das Unbekannte kann weder erreicht, noch kann es mittels eines positiven Ansatzes erfahren werden. Der sogenannte negative Ansatz ist nicht wirklich negativ, weil dabei immer noch das positive Ziel vorherrscht, das Unbekannte zu erfahren oder etwas zu erleben, das nicht erlebt werden kann. Es ist nur ein Trick, das ist alles – er spielt mit sich selbst. Solange das Ziel positiv ist, egal um welches Ziel es sich dabei auch handelt – ob es nun positiv oder negativ genannt wird – ist es eine positive (und nicht eine negative) Herangehensweise. 

 Man kann ruhig Spiele spielen, das ist interessant, aber es gibt so etwas wie ‘das Jenseits’ oder ‘das Unbekannte’ nicht. Wenn Sie annehmen, daß es etwas wie das Unbekannte gäbe, dann werden Sie alles mögliche daransetzen, es kennenzulernen. Es liegt in Ihrem Interesse, zu wissen. Damit wird dieser Denkvorgang so lange nicht aufhören, wie sie ein Interesse daran haben, etwas zu erfahren, das nicht erfahren werden kann. Es gibt so etwas wie das Unbekannte gar nicht. Wie kann ich denn nur behaupten, daß es kein Unbekanntes gäbe? Wie kann ich so eine dogmatische Behauptung aufstellen? – Sie werden es herausfinden. Solange Sie dem Unbekannten nachstellen, läuft auch dieser Denkprozeß ab. Da gibt es etwas, das Sie tun können – und das macht Ihnen Hoffnung, daß Sie vielleicht eines Tages zufälligerweise auf eine Erfahrung des Unbekannten stoßen werden. Wie könnte das Unbekannte jemals zum Bekannten werden? Das kann nicht sein. Selbst wenn man annähme, daß diese Denktätigkeit (die danach verlangt, das Unbekannte kennenzulernen) nicht vorhanden ist, wird man doch nie wissen, was dort ist. Es besteht überhaupt keinerlei Möglichkeit, das zu erfahren, zu begreifen, zu erleben oder ihm Ausdruck zu verleihen. 

Von dieser Seligkeit, von ewiger Wonne und Liebe zu reden, ist also nur romantische Poesie. Denn es gibt keine Möglichkeit, das einzufangen und festzuhalten und ihm Ausdruck zu verleihen. Vielleicht leuchtet Ihnen allmählich ein, daß dies nicht das geeignete Mittel ist, irgend etwas zu verstehen, und ein anderes gibt es nicht. Damit gibt es auch nichts zu verstehen. 

Sehen Sie, wenn Sie das, was ich sage, im Sinne Ihrer Wertvorstellungen und speziellen Verhaltensregeln interpretieren, gehen Sie vollkommen an der Sache vorbei. Es ist nicht so, daß ich gegen die sittlichen Verhaltensnormen wäre. Diese besitzen einen gesellschaftlichen Wert; sie sind für das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft unabdingbar. Um in dieser Welt auf intelligente Weise funktionieren zu können, bedarf es gewisser Verhaltensregeln. Ansonsten herrschte auf dieser Welt das totale Chaos. Dabei handelt es sich aber um ein soziales Problem und nicht um ein ethisches noch um ein religiöses Problem. Sie müssen diese beiden Dinge auseinanderhalten, denn wir leben heute in einer veränderten Welt. Wir müssen eine andere Möglichkeit finden, wie wir mit unserer Umwelt in Harmonie leben können. Solange Sie mit sich selbst in Konflikt sind, solange wird es Ihnen auch nicht möglich sein, mit der Sie umgebenden Gesellschaft in Harmonie zu leben. Dafür sind Sie selbst verantwortlich. 

Ich fürchte, daß Sie, falls Sie die von mir gemachten Aussagen im Rahmen Ihres religiösen Denkens interpretieren, wirklich an der Sache vorbeigehen. Denn das hat mit Religion überhaupt nichts zu tun. Ich schlage Ihnen nicht vor, daß Sie etwas anderes werden sollten als das, was Sie sind. Das ist einfach nicht möglich. Ich versuche nicht, Sie von etwas zu befreien. Ich glaube nicht, daß dieses Reden irgendeinen Zweck hat. Sie können meine Darstellung damit abtun, daß Sie sagen, es sei alles Unsinn – das ist Ihr gutes Recht. Aber vielleicht werden Sie auch bemerken, daß das Bild, das Sie sich von Ihrem Ziel machen, oder auch davon, was Sie eines Tages mit all der Ihnen zur Verfügung stehenden Willensanstrengung tun werden, in keinerlei Beziehung zu dem steht, was ich beschreibe. Was ich beschreibe, ist nicht wirklich das, woran Sie interessiert sind.  

Wie ich Ihnen neulich schon sagte, würde ich Ihnen gerne eine kurze Ahnung, einen Einblick, hiervon vermitteln. Nicht im dem Sinne, wie Sie das Wort ‘Einblick’ gebrauchen; nur eine Andeutung davon. Sie würden überhaupt nicht daran rühren wollen. Das, was Sie wollen, woran Sie interessiert sind, gibt es nicht. Sie können eine Menge unbedeutender Erfahrungen machen, falls es das ist, wofür Sie sich interessieren. Machen Sie nur alle Meditationen mit, tun Sie, was Sie wollen, und Sie werden alle möglichen Erfahrungen machen. Wenn man Drogen nimmt, ist das noch viel einfacher. Ich empfehle hier nicht die Anwendung von Drogen, aber die Erfahrungen, die es dabei zu machen gibt, sind genau die gleichen wie bei der Meditation. Die Ärzte sagen, daß Drogen das Gehirn schädigen würden, aber das wird auch die Meditation tun, wenn man sie nur ernsthaft genug betreibt. Es gibt Menschen, die sind wahnsinnig geworden dabei, sind in den Fluß gesprungen und haben sich so umgebracht. Sie haben alles mögliche unternommen – sie haben sich in Höhlen eingeschlossen – weil sie das nicht verkraften konnten.  

Sehen Sie, es ist Ihnen einfach nicht möglich, Ihre Gedanken zu beobachten; es ist nicht möglich, daß Sie jeden Schritt, den Sie tun, beobachten. Das wird Sie zum Wahnsinn treiben. Sie können nicht mehr gehen. Das ist auch gar nicht mit dieser Idee gemeint, daß man alle Dinge wahrnehmen, jeden Gedanken beobachten sollte; wie könnte es denn auch möglich sein, jeden einzelnen Gedanken zu beobachten – und wozu wollen Sie Ihre Gedanken beobachten? Zu welchem Zweck? Kontrolle? Sie können das nicht kontrollieren. Dahinter steckt eine enorme Dynamik. 

Wenn Sie in Ihrer Vorstellung so weit gekommen sind, daß Sie meinen, Ihre Gedanken unter Kontrolle zu haben, und wenn Sie einen Raum zwischen diesen Gedanken oder einen Zustand von Gedankenleere erleben, dann glauben Sie, Sie hätten etwas erreicht. Dies ist ein von Gedanken hervorgerufener Zustand der Gedankenlosigkeit, ein Raum zwischen zwei Gedanken. Die Tatsache, daß Sie den Raum zwischen zwei Gedanken und den gedankenleeren Zustand erfahren, bedeutet nur, daß Ihr Denken dabei durchaus gewärtig war. Es kommt wieder zum Vorschein, so wie die Rhône, die durch Frankreich fließt, verschwindet und dann wieder zum Vorschein kommt. Sie ist in den Untergrund verschwunden. Der Fluß ist immer noch da. Er läßt sich nicht zum Zwecke der Navigation nutzen, aber schließlich kommt er wieder herauf. Und genau so kommen auch die Dinge, die Sie in die unterirdischen Regionen verbannen (wobei Sie glauben, daß Sie etwas Außergewöhnliches erlebten) wieder an die Oberfläche – und dann werden Sie merken, wie diese Gedanken aus Ihrem Inneren herausströmen.  

Jetzt sind Sie dessen nicht gewahr, daß Sie jetzt atmen. Sie müssen sich Ihres Atmens nicht bewußt sein. Warum wollen Sie sich dessen bewußt sein, daß Sie atmen? Wenn Sie Ihren Atem kontrollieren, um Ihre Lungen oder Ihren Brustkorb auszudehnen – dann ist das etwas anderes. Aber warum wollen Sie sich der Bewegung des Atems von seinem Entstehen bis zum Ende gewahr sein? Sie werden sich plötzlich Ihres Atmens bewußt. Ihr Atem und das Denken stehen in einer engen Beziehung zueinander. Deshalb wollen Sie Ihren Atem kontrollieren. Denn das würde bedeuten, daß sie so gleichermaßen auch Ihr Denken für eine Weile kontrollieren könnten. Wenn Sie aber Ihren Atem zu lange anhalten, wird Sie das ebenso ersticken, wie auch alles andere, das Sie unternehmen, um den Fluß der Gedanken anzuhalten oder zu blockieren, Sie zu Tode würgen wird – und das ist wörtlich so gemeint – oder es wird Ihnen sonst auf irgendeine Weise schaden. Das Denken ist eine sehr mächtige Schwingung, eine außerordentliche Schwingung. Es ist wie ein Atom. Man kann mit solchen Dingen nicht herumspielen. 

Sie werden das Ziel, Ihr Denken gänzlich unter Ihre Kontrolle zu bringen, nicht erreichen. Das Denken muß auf die ihm eigene Weise funktionieren, auf seine abgehackte, unzusammenhängende Weise. Das ist etwas, was sich nicht durch irgendwelche Bemühungen Ihrerseits erreichen läßt. Es muß in seinen normalen Rhythmus fallen. Selbst dann, wenn Sie versuchen wollen, ihm den normalen Rhythmus zuzumessen, fügen Sie ihm nur neue Impulse hinzu. Es führt ein unabhängiges Leben, das sich unglücklicherweise innerhalb des Lebensvorgänge eine parallele Existenz aufgebaut hat. Diese beiden befinden sich in einem permanenten Konfliktzustand. Und der wird erst dann zu Ende gehen, wenn auch das Leben endet. 

Das Denken hat sich zum Herren über diesen Körper aufgeworfen. Das Denken beherrscht das Ganze absolut. Es versucht noch immer, alles vollkommen unter Kontrolle zu halten. Sie können den Bediensteten nicht aus dem Haushalt entfernen, ganz gleich, was Sie auch tun. Wenn Sie Gewalt anwenden, wird er den ganzen Haushalt niederbrennen, obwohl er genau weiß, daß er damit auch sich verbrennt. Für ihn wäre das eine große Torheit, aber genau die werden Sie provozieren, wenn Sie es versuchen. Das sind nur Gleichnisse, ziehen Sie also keine logischen Schlußfolgerungen daraus, sondern finden Sie es selbst heraus, wenn Sie diese Dinge tun, und nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter. Oder nehmen Sie sie auf die leichte Schulter, und spielen Sie mit ihnen. Das ist in Ordnung – als Spielzeug. 

F: Und wenn man sich nur treiben läßt? Nichts anstrebt, nur so dahintreibt? 

U.G.: Selbst dieses ‘Treibenlassen’ ist nichts, was Sie aus eigenem Entschluß tun könnten. Sie müssen gar nichts tun. Sie sind kein vom Denken abgesondertes Wesen. Das ist alles, worauf ich hinweise. Sie können sich nicht vom Denken trennen und sagen: „Das sind meine Gedanken“. Sie unterliegen dieser Illusion, und ohne Illusionen können Sie nun mal nicht sein. Sie ersetzen andauernd eine Illusion durch eine andere. Immerzu. 

F: Auch das akzeptiere ich. 

U.G.: Sie akzeptieren, daß Sie ständig eine Illusion durch die andere ersetzen; also stellt Ihr Verlangen, frei von Illusionen zu sein, eine Unmöglichkeit dar. Das Verlangen selbst ist eine Illusion. Warum wollen Sie von Illusionen frei sein? Das würde ja Ihr Ende bedeuten. Ich will Ihnen keine Angst einjagen, ich weise lediglich darauf hin, daß dies nicht etwas ist, womit man leichtfertig spielen sollte. Das sind Sie selbst, so wie Sie sich kennen. Wenn es das Wissen, das Sie von sich haben, nicht mehr gibt, dann ist auch Ihr Wissen über die Welt nicht mehr vorhanden und kann auch gar nicht mehr da sein. Es wird nicht einfach so aufhören. Es wird stets von einer anderen Illusion ersetzt werden. 

Sie wollen kein normaler Mensch sein, Sie möchten kein gewöhnlicher Mensch sein. Das ist das eigentliche Problem. Es gehört zum Allerschwierigsten, ein gewöhnlicher Mensch zu sein. Die Kultur verlangt es, daß man etwas anderes sein sollte als das, was man ist. Dadurch wurden Kräfte in Bewegung gesetzt, eine ungeheuer mächtige Bewegung – der Denkprozeß – der verlangt, daß man etwas anderes sein sollte als das, was man ist. Nur darum geht es. Sie können ihn dazu benutzen, um gewisse Dinge zu erreichen; ansonsten hat er keinen Verwendungszweck. 

Der einzige Zweck des Denkens besteht darin, diesen Körper zu ernähren und ihn fortzupflanzen. Das ist alles, wofür das Denken nützlich ist. Ansonsten hat es keinen Nutzen. Es kann nicht dazu benutzt werden, um zu spekulieren. 

Sie können eine enorme philosophische Denkstruktur errichten, die jedoch keinerlei Wert besitzt. Sie können jede Begebenheit in Ihrem Leben interpretieren und eine weitere philosophische Denkstruktur erstellen, aber das ist nicht der eigentliche Zweck des Denkens. 

Im übrigen vergessen Sie dabei, daß alles um Sie herum eine Schöpfung des Denkens ist. Sie selbst entspringen dem Denken, sonst gäbe es Sie gar nicht. So gesehen besitzt es natürlich einen enormen Wert, und doch ist es genau dasjenige, was Sie zerstören wird. 

Das ist das Paradoxon. Alles, was Sie auf dieser Welt geschaffen haben, wurde mit Hilfe des Denkens ermöglicht, aber dieses Denken ist unseligerweise auch genau das, was zum Feind des Menschen geworden ist, denn es wird für Dinge zweckentfremdet, für die es nicht vorgesehen ist. Es kann dazu benutzt werden, technische Probleme sehr gut und effizient zu lösen, aber es kann nicht dazu dienen, zur Lösung der Probleme des Lebens beizutragen. 

Positives Denken, positives Leben, das mag ja ganz interessant sein. Man kann nicht immer positiv sein. Wie könnten Sie positiv sein? Wenn etwas nicht auf Ihr positives Denken hindeutet, nennen Sie es negativ. Aber ‘positiv’ und ‘negativ’ finden lediglich im Bereich Ihres Denkens statt. Wenn es kein Denken gibt, gibt es auch kein positiv oder negativ. Wie ich bereits sagte, gibt es so etwas wie eine negative Betrachtungsweise überhaupt nicht. Das ist lediglich ein Trick. 

Ich sage Ihnen, daß Sie auf eigenen Füßen stehen müssen – Sie können gehen, oder Sie können schwimmen, Sie werden nicht untergehen. Solange Sie allerdings von Furcht beherrscht sind, werden Sie mit ziemlicher Sicherheit sinken. Ansonsten herrscht dort im Wasser ein Auftrieb, der Sie an der Oberfläche halten wird. Es ist die Angst unterzugehen, die es Ihnen unmöglich macht, diese Bewegung einfach zuzulassen. Sehen Sie, sie hat keine Richtung inne: es ist einfach eine ziellose Bewegung. Sie versuchen, diese Bewegung zu manipulieren und in eine bestimmte Richtung zu kanalisieren, um einen Nutzen daraus ziehen zu können. Sie sind lediglich eine Bewegung, die keine Richtung innehat. 

F: Als menschliche Wesen denken wir ziemlich gerne. Aber warum nur ist dieses merkwürdige animalische Denken ständig zugegen? 

U.G.: Ich werde Ihnen diese Frage stellen. Und Sie sagen mir, wann denken Sie? Nicht, warum denken Sie? Diese Frage stellt sich nicht. Wann denken Sie? Ich richte diese Frage an Sie: „Wann denken Sie?“ 

F: So viel ich weiß, immerzu. 

U.G.: Immerzu, und wozu? Was ist verantwortlich für Ihr Denken? Wann denken Sie? Wenn Sie etwas wollen, dann denken Sie. Das ist mir vollkommen klar. 

F: Das stimmt nicht. 

U.G.: Aber ja doch. Sie wissen nicht einmal, daß Sie denken. Wissen Sie, daß Sie jetzt denken? Das geht ganz automatisch vor sich. 

F: Es geht automatisch vor sich, das ist richtig. 

U.G.: Sie wissen nicht einmal, daß Sie denken; woher stammt also Ihr plötzliches Interesse daran, herauszufinden warum Sie denken? Ich weiß nicht einmal, daß ich spreche. Sie wissen nicht einmal, daß Sie sprechen. Als Sie die Frage gestellt haben: „Denke ich?“, haben Sie diese mit „Ja“ beantwortet. Auch dieses „Ja“ kommt automatisch. 

F: Es ist mir gleichgültig, ob das automatisch ist. 

U.G.: Der Ganze läuft automatisch ab. Es ist egal, was eingegeben wird, wenn Sie irgendwie stimuliert werden, kommt die entsprechende Reaktion. Um es in der Computersprache auszudrücken: ein bestimmter Input muß gegeben sein. Das war immer so und geht immer so weiter. Wenn eine bestimmte Stimulation gegeben ist, beginnt das Denken; ist diese nicht mehr vorhanden, so hört es auf. Darin liegt der Grund, warum Sie immer weitermachen, warum Sie dieses Wissen erwerben und ihm immerzu neue Nahrung geben. 

Was also wissen Sie? Sie wissen eine Menge. Sie haben aus einer Vielzahl von Quellen Wissen gesammelt und in Ihrem Kopf angehäuft. Das meiste davon ist unnötig. Sie wissen eine Menge, und Sie möchten immerzu noch mehr wissen – natürlich um einen Nutzen daraus zu ziehen. So etwas wie Wissen um des Wissens willen gibt es nicht. Es verleiht Ihnen Macht. Wissen ist Macht. „Ich weiß; Du weißt nicht.“ Das gibt Ihnen Macht. Möglicherweise ist es Ihnen nicht einmal bewußt, daß Sie an Macht gewinnen, wenn Sie mehr als die anderen wissen. In diesem Sinne bedeutet Wissen Macht. Immer mehr Wissen anzuhäufen, mehr als zum Überleben des lebendigen Organismus notwendig ist, bedeutet, immer mehr Macht über andere zu erringen. 

Daß man des technischen Wissens bedarf, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist leicht einzusehen. Ich muß eine Technik erlernen. Die Gesellschaft wird mich nicht ernähren, wenn ich ihr nichts dafür zurückgebe. Man muß ihr das geben, was sie will, und nicht das, was man zu geben hat. Und was haben Sie zu geben? Sie haben ohnehin nichts zu geben. Welchen Wert hätte dieses Wissen denn sonst für Sie? Daß Sie mehr über etwas wissen, wovon Sie im Grunde nichts wissen... 

Wir reden ständig über das Denken. Was ist Denken? Haben Sie sich das Denken jemals wirklich angesehen, geschweige denn die Gedankenkontrolle, die Manipulation des Denkens oder den Gebrauch des Denkens, um einen materiellen oder sonstigen Gewinn daraus zu ziehen? Sie können Ihr Denken nicht betrachten, weil Sie sich nicht vom Denken abspalten können, um es anzusehen. Es gibt kein Denken, das getrennt wäre von dem Wissen, das Sie darüber haben – den Definitionen, die Sie kennen. Wenn Ihnen also jemand die Frage stellt „Was ist Denken?“, so ist jegliche Antwort, die Sie geben, eine Antwort, die bereits vorgegeben ist – von den Antworten, die andere schon zuvor gegeben haben. 

Sie haben sich Ihre eigenen Gedanken geschaffen, indem Sie Ideenbildungen und Geistestätigkeiten umgesetzt und miteinander kombiniert haben und dies alles auf das Denken anwandten, das Sie nun Ihr eigenes nennen. Es ist wie beim Mischen von Farben; damit können Sie Tausende von Pastelltönen erzeugen, aber im Grunde läßt sich alles auf die sieben Grundfarben reduzieren, die man in der Natur findet. Das, von dem Sie glauben, daß es Ihr eigenes Denken sei, besteht aus der Kombination und Umsetzung all dieser Gedanken, die auf die genau gleiche Weise entstanden sind, wie die vielen Hundert Pastellfarben. Sie haben sich Ihre eigenen Vorstellungen geschaffen. Das nennen Sie Denken. Wenn Sie also Betrachtungen über das Denken anstellen, so werden Sie dort nur das vorfinden, was Sie bereits darüber wissen. Ansonsten können Sie sich das Denken nicht ansehen. Es gibt kein Denken, das nicht in dem enthalten wäre, was Sie schon über das Denken wissen. Wenn das einmal verstanden wird, hört diese ganze sinnlose Bemühung, die darauf abzielt, das Denken beobachten zu wollen, auf. Es gibt nur das, was Sie schon wissen – die Definitionen, die Ihnen von anderen gegeben wurden. Und wenn Sie sehr intelligent und clever genug sind, dann schaffen Sie Ihre eigenen Definitionen.

Wenn Sie einen Gegenstand betrachten, kommt Ihnen das Wissen in den Sinn, das Sie über diesen Gegenstand besitzen. Es entsteht die Illusion, daß das Denken etwas von den Gegenständen Verschiedenes sei; aber Sie sind derjenige, der den Gegenstand erschafft. Der Gegenstand mag vorhanden sein, aber das einzige, das Sie haben, ist das Wissen über diesen Gegenstand. Abgesehen von diesem Wissen und unabhängig von diesem Wissen, frei von diesem Wissen, gibt es keine Möglichkeit für Sie, irgend etwas darüber zu wissen. Es gibt für Sie keine Möglichkeit, etwas auf direktem Wege zu erfahren. Das Wort ‘direkt’ bedeutet nicht, daß es noch einen anderen Weg gäbe, um die Dinge auf eine andere Weise erfahren zu können, als Sie das jetzt tun. Das Wissen, über das Sie verfügen, ist alles, was es gibt, und das ist es auch, was Sie erfahren. Wirklich, Sie wissen nicht, was es ist. 

Genau so ist es auch, wenn Sie etwas über das Denken wissen oder das Denken erleben wollen, dann tritt der gleiche Mechanismus in Funktion. Es gibt kein Außen oder Innen. Das, was vorhanden ist, ist lediglich der Vorgang, der Fluß des Wissens. Sie können sich also gar nicht vom Denken abspalten, um es anzusehen. 

Wenn also eine Frage gestellt wird, sollten Sie eigentlich erkennen, daß es keine Antwort geben kann, die irgendeinen Sinn hätte, denn alle Antworten sind nur aus zweiter Hand und angelernt. Damit hört diese Bewegung auf. Es gibt keinen Grund für Sie, die Frage zu beantworten. Es gibt keinen Grund dafür, warum Sie etwas darüber wissen müßten. Alles, was Sie wissen, kommt zum Erliegen. Es gehen keine Impulse mehr davon aus. Es verlangsamt sich, und dann wird Ihnen allmählich klar, wie sinnlos es ist, diese Frage zu beantworten, auf die es gar keine Antwort gibt. Es gibt bereits all die Antworten, die von anderen gegeben wurden. Also haben Sie zu dem Thema ‘Denken’ nichts zu sagen, denn alles, was Sie zu sagen haben, ist ein Sammelsurium aus anderen Quellen. Sie haben keine eigene Antwort.  

F: Aber deshalb können wir uns doch noch unterhalten. 

U.G.: Schon gut, ja. 

F: Abgesehen von der Frage.... 

U.G.: Es ist ja gut, ja. 

F: Aber es gibt doch immer noch Gegenstände, wie die Wände und die Menschen um uns herum. Und das, was wir über sie wissen und von ihnen sehen. 

U.G.: Aber das ist nicht, was diese Person wirklich ist. In Wirklichkeit wissen Sie gar nichts über diesen Menschen oder diese Sache, außer dem, was Sie auf dieses Objekt oder dieses Individuum projizieren. Das Wissen, über das Sie verfügen, ist die Erfahrung. So geht das immer weiter. Sie haben keine Möglichkeit zu wissen, was das wirklich ist. 

F: Das habe ich verstanden. Wenn wir über die Wirklichkeit sprechen, dann können wir nur über das Wissen sprechen, das wir darüber haben, und dieses Wissen nennen wir Realität.  

U.G.: Wozu? Dann wird eine akademische Diskussion oder eine Diskussion in einem Debattierklub daraus, in der jeder zeigen will, daß er mehr, viel mehr weiß als der andere. Was haben Sie denn davon? Ein jeder versucht zu beweisen, daß er mehr weiß als Sie, um Sie dann von seinem Standpunkt zu überzeugen. 

F: Meine Frage ist, ob es überhaupt eine Chance gibt – daß es keine Methode dafür gibt, ist mir klar – aus diesem Wissen heraus zur tatsächlichen Realität zu gelangen? 

U.G.: Wenn Sie das Glück haben (und es wäre reines Glück), aus dieser Wissensfalle herauszukommen, dann stellt sich für Sie diese Frage nach der Realität nicht mehr. Die Frage entspringt jenem Wissen, das immer noch daran interessiert ist, die Realität der Dinge zu finden und das direkt erleben will, was diese Realität eigentlich ist. Wenn dieses Wissen nicht mehr vorhanden ist, gibt es auch die Frage nicht mehr. Dann besteht auch kein Bedürfnis nach einer Antwort. Diese Frage, die Sie sich selbst und auch mir stellen, entspringt der Annahme, daß es eine Realität gäbe, und diese Annahme entstammt jenem Wissen, das Sie von der Realität und über sie besitzen. Das Wissen ist die Antwort, die Sie schon kennen. Deshalb stellen Sie die Frage. Die Frage taucht ganz automatisch auf.  

Das eigentliche Erfordernis besteht also nicht darin, die Frage beantworten zu können, sondern es geht darum, zu verstehen, daß die Frage, die Sie stellen, die Sie an sich selbst oder jemand anderen richten, aus der Antwort heraus entstanden ist, die Sie schon kennen – und das ist das Wissen. So wird dieses Frage- und Antwortschema, wenn wir es lange genug betreiben, zu einem sinnlosen Ritual. Wenn Sie wirklich daran interessiert sind, die Realität zu finden, muß Ihnen einleuchten, daß dieser Fragemechanismus genau den Antworten entstammt, die Sie schon haben. Ansonsten kann es gar keine Fragen geben. 

Zunächst einmal gehen Sie von der Annahme aus, daß es eine Wirklichkeit gäbe, und die nächste wäre dann, daß Sie etwas tun könnten, um diese Wirklichkeit zu erfahren. Ohne dieses die Realität betreffende Wissen gibt es für Sie auch kein Erleben der Realität, soviel ist gewiß. „Gibt es noch eine andere Möglichkeit, die Realität zu erfahren, dann, wenn dieses Wissen nicht vorhanden ist?“ Sie stellen diese Frage. Die Frage bringt die Antwort mit sich. Also besteht ebensowenig ein Bedürfnis danach, Fragen zu stellen, wie danach, sie zu beantworten.  

Ich versuche nicht, besonders clever zu sein. Ich richte Ihre Aufmerksamkeit nur gezielt darauf, worum es bei diesem Frage- und Antwortspiel eigentlich geht. Ich beantworte Ihre Fragen nicht wirklich. Ich weise nur darauf hin, daß Sie überhaupt keine Fragen haben können, wenn Sie die Antworten nicht kennen. 

F: Ich verstehe das. Ich möchte aber trotzdem gerne mit dem Spiel fortfahren. 

U.G.: Schön. Vielleicht sind Sie gut in diesem Spiel. Ich bin es nicht. Aber wir wollen sehen, was sich machen läßt. 

F: Obwohl Sie wissen, daß wir uns ständig mit Wissen beschäftigen, sprechen Sie doch mit uns über die Realität und deren Akzeptanz. 

U.G.: So, wie sie ist. 

F: Wie sie ist? 

U.G.: Wie sie uns von der Kultur auferlegt wurde, zum Zwecke eines intelligenten und vernünftigen Funktionierens in dieser Welt, dabei jedoch erkennend, daß sie außer ihrem funktionellen Wert keinen anderen besitzt. Denn sonst, sehen Sie, kommen wir in Schwierigkeiten. Wenn Sie das hier nicht ‘Mikrophon’ nennen, sondern beschließen, es als ‘Affen’ zu bezeichnen, werden wir alle umlernen müssen, und jedesmal, wenn wir es ansehen, werden wir es einen roten oder schwarzen Affen nennen anstatt ein Mikrophon. Die Sprache (oder das Denken) dient einfach dem Zwecke der Kommunikation. 

F: Ich frage mich, was geschehen würde, wenn wir diesen Stuhl Lampe nennen würden und den Tisch einen Hut; viele unserer Philosophien und Vorstellungen sind auch so verbunden. 

U.G.: Es ist interessant, eine philosophische Struktur aufzubauen. Darum gibt es so viele Philosophen und so viele Philosophien auf dieser Welt. 

F: Verstehe ich also richtig, daß die Akzeptanz das einzig Erstrebenswerte ist? 

U.G.: Sehen Sie denn nicht den Widerspruch, der in diesen beiden Begriffen liegt? Wenn Sie etwas akzeptieren, wie könnte es dann ein Verlangen danach geben, es zu erstreben? Das besteht nicht mehr. Wenn Sie etwas akzeptieren, können Sie überhaupt nicht mehr von Streben sprechen. Sie akzeptieren es, Sie glauben es. Sie glauben an etwas, Sie akzeptieren es als einen Glaubensakt, und damit hat es sich. Wenn Sie es in Frage stellen, bedeutet das, daß Sie es nicht akzeptiert haben. Sie sind sich dessen nicht sicher.  

F: Ich mußte meine Anstellung als Justizbeamter akzeptieren, bevor ich das Wissen erwerben konnte, das erforderlich war, um den Job zu bekommen. 

U.G.: Sie mußten dafür kämpfen und sich sehr anstrengen, um das Wissen zu erwerben, das nötig war, um diesen Job zu bekommen. Das versteht sich von selbst. Es gibt also nur diese Möglichkeit. Eine andere gibt es nicht. Die gleiche Technik wenden Sie nun auch darauf an, Ihre sogenannten spirituellen Ziele zu erreichen. Ich weise auf den Unterschied hin. Als Gerichtsbeamter wissen Sie, was bei Gericht vor sich geht. Sie müssen sich auf Präzedenzfälle und vorinstanzliche Urteile verlassen. Beide Seiten zitieren die Urteile der vorangegangenen Instanzen und verhandeln über den Fall. Der Richter akzeptiert entweder Ihre Argumentation oder die des Gegners, und er fällt seine Entscheidung entweder zu Gunsten Ihres Klienten oder der des anderen. Dann gehen Sie zur nächsthöheren Instanz. Dort ist es das gleiche. Schließlich gehen Sie zum Obersten Gericht, wo der Richter eine endgültige Entscheidung fällt. Sie mögen diesem Urteil nicht zustimmen, Ihr Klient kann alles mögliche tun, um es abzulehnen und sich weigern, es anzuerkennen, aber dieses Urteil kann per Gesetz vollstreckt werden. Wenn es sich um eine Zivilsache handelt, werden Sie Ihre Forderung nicht einklagen können. Ist es eine Strafsache, werden Sie im Gefängnis landen. Letzten Endes wird auf diese Weise entschieden, wer die Wahrheit sagt und wer lügt. In der endgültigen Analyse ist das willkürlich (bzw. vom Richterspruch abhängig). 

Es ist für Sie also unabdingbar, mit der ganzen Rechtsstruktur vertraut zu sein. Es ist für Sie entscheidend, das für Ihren Posten erforderliche juristische Wissen zu erwerben. Je effizienter Sie sind, desto größer sind Ihre Chancen. Je tüchtiger Sie sind, umso besser sind Ihre Aussichten. Soweit ist alles klar.  

Also müssen Sie Kampf und Leistung einsetzen, Sie müssen Ihren Willen gebrauchen, um schließlich Erfolg zu haben. Und da gibt es immer mehr, was es zu erreichen gilt. Nun aber wenden Sie dasselbe Mittel an, um Ihre spirituellen Ziele zu erreichen. Ich weise lediglich darauf hin. 

Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, daß es möglich ist, etwas zu begreifen, das nicht in einem zeitlichen Rahmen liegt. Alles dauert seine Zeit. Es hat so und so viele Jahre gedauert, bis Sie dort angekommen sind, wo Sie jetzt sind, und immer noch bemühen Sie sich und kämpfen darum, eine höhere Ebene zu erreichen – höher und höher und immer höher. Das Instrument (der Verstand), das Sie gebrauchen, kann nicht begreifen, daß es eine Möglichkeit gibt, etwas ohne Anstrengung, ohne Bemühen zu verstehen und ohne ein Endergebnis erzielen zu wollen. Aber die Angelegenheiten, mit denen Sie sich im Leben auseinandersetzen müssen sind lebendig; es geht darum, wie man leben soll. Der Verstand hat Ihnen nicht geholfen, diese Probleme zu lösen. Sie können eine zeitlich begrenzte Lösung finden, aber das schafft weitere Probleme, und so geht es immer weiter. Die Belange des Lebens sind lebendige Probleme. Das Mittel, welches Sie benützen, das Denken, ist ein stumpfes Instrument, und es kann nicht dazu benutzt werden, irgend etwas Lebendiges zu verstehen. Sie können gar nicht anders als in Begriffen von Streben, Anstrengung und Zeit zu denken – eines Tages werden Sie das spirituelle Ziel erreicht haben – ganz genau so, wie Sie auch alles andere erreicht haben, das Sie sich im Leben vorgenommen hatten. 

F: Aber sagen Sie denn, daß es irgendein Wissen gäbe, das die wirklichen Probleme des Lebens löst?  

U.G.: Aber nein. Dieses Wissen kann nicht dazu beitragen, daß Sie Ihre Lebensprobleme verstehen oder lösen können. Denn in diesem Sinne gibt es überhaupt keine Probleme. Wir haben nur die Lösungen. Sie sind nur an den Lösungen interessiert, und diese Lösungen haben Ihre Probleme nicht gelöst. Also versuchen Sie nun, eine andere Art von Lösungen zu finden. Die Situation wird aber genau so bleiben, wie sie ist. Und doch haben Sie immer noch Hoffnung, daß Sie vielleicht doch die Lösung für Ihre Probleme finden werden. 

Also liegt Ihr Problem nicht im Problem selbst, sondern in dessen Lösung. Wenn die Lösung verschwunden ist, gibt es auch kein Problem mehr. Falls es eine Lösung gibt, sollte es auch das Problem nicht mehr geben. Wenn die Antworten, die von den anderen (den ‘weisen Männern’) gegeben werden, die richtigen Antworten wären, dann sollte es auch gar keine Fragen mehr geben. Also sind es ganz offensichtlich nicht die richtigen Antworten. Wären sie es, gäbe es keine Fragen mehr. 

Warum stellen Sie also nicht die Antworten in Frage? Wenn Sie die Antworten in Frage stellen, müssen Sie auch diejenigen in Frage stellen, die diese Antworten erteilt haben. Aber Sie nehmen es als gegeben hin, daß sie alle miteinander ‘weise Menschen’ wären, uns allen in spiritueller Hinsicht weit überlegen, und daß sie wüßten, worüber sie reden. Aber sie wissen absolut gar nichts! 

Warum stellen Sie diese Fragen? – wenn ich Ihnen diese Gegenfrage stellen darf. Woher kommen diese Fragen denn eigentlich? Wo in Ihnen nehmen Sie ihren Ursprung? Ich möchte, daß Sie die Absurdität dessen, solche Fragen zu stellen, ganz klar erkennen. Es ist unbedingt notwendig, daß man Fragen stellt, um ein bestimmtes technisches Wissen zu erwerben. Wenn der Fernsehapparat nicht funktioniert, kann Ihnen jemand mit Hilfe seines technischen Wissens helfen, ihn zu reparieren. Das versteht sich von selbst. Das meine ich nicht. Die Fragen aber, die Sie stellen, sind von einer anderen Art. 

Wo, glauben Sie, entstehen diese Fragen? Wie formulieren sie sich in Ihrem Innern? Es sind alles mechanische Fragen. Ich muß immer wieder die Notwendigkeit dessen betonen, daß Sie verstehen, wie mechanisch das Ganze ist. 

Es gibt niemanden, der diese Fragen stellt. Es gibt da keinen Fragesteller, der diese Fragen stellt. Es ist nur eine Illusion, daß es einen Fragenden gäbe, der diese Fragen formulieren und an jemanden richten würde und der erwartet, daß ihm jemand eine Antwort darauf gibt. 

Die Antworten, die Sie erhalten, sind offenbar nicht die richtigen Antworten, denn die Fragen dauern an, trotz der Antworten, die Ihnen anscheinend jemand erteilt. Die Frage besteht immer noch. Diejenige Antwort, von der Sie glauben, daß es die richtige Antwort sei (zu Ihrer Zufriedenheit oder nicht), ist in Wirklichkeit keine Antwort. Wenn sie es wäre, hätte die Frage für alle Zeiten verschwinden müssen. Alle Fragen sind nur Abwandlungen ein und derselben Frage. Die Antwort darauf kennen Sie schon, und all die übrigen Fragen sind nur solche, für die es völlig uninteressant ist, ob sie beantwortet werden oder nicht. Wenn es überhaupt eine Antwort auf eine Frage gibt, dann sollte sie alle bereits vorhandenen Antworten zerstören. Es gibt da keinen Fragesteller. Wenn die Antwort verschwindet, muß gleichzeitig auch der Fragesteller – der nichtexistente Fragende – verschwinden. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich machen kann. 

Gibt es eine Frage, von der Sie sagen könnten, daß sie ganz und gar Ihre eigene wäre? Wenn Sie es fertigbringen, eine Frage zu stellen, die Sie wirklich Ihr eigen nennen können, eine Frage, die nie, niemals zuvor gestellt wurde, dann hat es einen Sinn, darüber zu sprechen. Dann müssen Sie nicht mehr dasitzen und irgend jemandem Fragen stellen, die es eigentlich gar nicht gibt. Eine Frage, die Sie Ihr eigen nennen können, wurde niemals zuvor gestellt. Alle Antworten sind nur für diese Frage da. Wahrscheinlich ist Ihnen gar nicht klar, daß Ihre Fragen aus den Antworten entstanden sind, die Sie schon kennen, und daß es sich dabei keinesfalls um Ihre Antworten handelt. Es sind Antworten, die Sie schon erhalten haben. 

Warum stellen Sie also diese Fragen, warum sind Sie nicht mit den bereits vorhandenen Antworten zufrieden? So lautet meine Frage. Warum? Wenn Sie damit zufrieden sind, dann ist doch alles in Ordnung. Dann werden Sie wahrscheinlich sagen: „Ich will gar keine Antworten.“ Aber die Frage besteht immer noch, tief in Ihrem Innern. Es ist gleichgültig, ob Sie jemanden aufsuchen oder die Antwort von einem weisen Mann erwarten, die Frage besteht weiter. Warum besteht sie? Was geschieht, wenn die Frage an ihr Ende gelangt? Dann kommen auch Sie an Ihr Ende. Sie sind nichts als die Antworten. Wenn Sie verstehen, daß es keinen Fragenden gibt, der die Fragen stellt, ist Ihre Antwort in höchster Gefahr. Deshalb will die Frage überhaupt keine Antwort bekommen. Diese Antwort würde das Ende jener Antwort bedeuten, die Sie haben, und die nicht die Ihre ist. 

So soll sie sich doch zum Teufel scheren... Die Antworten, die Sie haben, sind schon tot, sie wurden von toten Menschen erteilt. Jedermann, der solche Antworten wiederholt, ist ein toter Mensch. Ein lebendiger Mensch kann auf solche Fragen gar keine Antwort geben, denn jedwede Antwort, die Sie von irgend jemand erhalten, ist eine tote Antwort, da die Frage eine tote Frage ist. Das ist der Grund, warum ich Ihnen überhaupt keine Antwort gebe. Sie leben in einer Welt der toten Ideen. 

Alle Gedanken sind tot, sie leben nicht. Sie können sie nicht mit Leben versehen. Das ist es, was Sie die ganze Zeit über zu tun versuchen: Sie statten sie mit Emotionen aus. Aber es sind keine lebenden Dinge. Sie können niemals etwas Lebendiges berühren. Sie glauben, Sie hätten spirituelle oder psychologische Probleme, dabei sind es eigentlich Probleme mit dem Lebendigsein.  

Demnach sind die Lösungen, die Ihnen zur Verfügung stehen, nicht angemessen, um mit lebenden Problemen fertig zu werden. Sie sind gut genug für eine akademische Diskussion oder ein Frage- und Antwortritual – in denen die gleichen alten toten Ideen wiederholt werden – aber diese Dinge werden nie, niemals an etwas Lebendiges heranreichen können, denn das Lebendige wird das Ganze wie ein Feuer verzehren. 

Also werden Sie zu keiner Zeit irgend etwas Lebendiges berühren können. Sie können nichts sehen; Sie haben keinen Kontakt zu etwas Lebendigem – solange, wie Sie Ihr Denken dazu benutzen, die Dinge verstehen und erfahren zu wollen. Wenn es nicht vorhanden ist, dann besteht auch kein Bedürfnis danach, etwas zu verstehen oder zu erfahren. Was Sie auch erfahren, es gibt dem Denken nur neuen Antrieb, das ist alles. Da ist nichts, was Sie Ihr eigen nennen könnten.  

Ich habe überhaupt keine Fragen. Wie kommt es, daß Sie so viele Fragen haben? Ich gebe auch keine Antworten. Ich wiederhole diesen gleichen Punkt Tag für Tag aufs neue. Ob Sie ihn verstehen oder nicht, ist für mich ohne Bedeutung. 

Was meinen die Menschen denn eigentlich damit, wenn sie von Bewußtsein sprechen? So etwas wie ein Unbewußtsein gibt es nicht. In der medizinischen Technologie kann ein Grund dafür gefunden werden, warum ein bestimmter Mensch bewußtlos ist, aber der Mensch, der bewußtlos ist, kann nicht wissen, daß er es ist. Wenn er aus dem Zustand der Bewußtlosigkeit  herauskommt, ist er bewußt. Meinen Sie also, daß Sie jetzt bewußt sind? Glauben Sie, Sie seien wach? Sind Sie der Meinung, daß Sie am Leben sind?  

Es ist Ihr Denken, das Ihnen das Gefühl gibt, daß Sie am Leben, daß Sie bewußt seien. Das ist nur dann möglich, wenn das Wissen, über das Sie verfügen, in Funktion getreten ist. Es gibt für Sie keine Möglichkeit zu wissen oder herauszufinden, ob Sie leben oder ob Sie tot sind. In diesem Sinne gibt es überhaupt keinen Tod, denn Sie sind nicht lebendig. Sie werden sich der Dinge nur dann bewußt, wenn das Wissen in Funktion getreten ist. Ist das Wissen nicht vorhanden, dann ist es für diese Denktätigkeit, die endet, bevor das eintritt, was wir als ‘Tod’ bezeichnen, völlig ohne Bedeutung, ob der Mensch tot ist oder am Leben. 

Es spielt also wirklich keine Rolle, ob man tot ist oder am Leben. Natürlich ist es für denjenigen bedeutsam, der die Überlegung anstellt, daß es sehr wichtig sei, am Leben zu sein, und für diejenigen, die mit diesem Menschen zu tun haben; aber Sie verfügen nicht über die Möglichkeit herauszufinden, ob Sie tot sind oder lebendig, bewußt oder unbewußt. Sie werden sich nur mit Hilfe des Denkens bewußt. Nur ist das leider immer zugegen. Also ergibt mein Hinweis darauf, daß es nicht möglich ist, etwas zu erfahren, für Sie überhaupt keinen Sinn, weil es für Sie dann, wenn diese Denktätigkeit nicht vorhanden ist, keinen Bezugspunkt mehr gibt. Wenn diese Denktätigkeit nicht vorhanden ist, gibt es auch all diese Fragen über das Bewußtsein nicht mehr. Das meine ich, wenn ich sage, daß es keine Fragen gäbe. 

Wie kann ich einen Wandel zuwege bringen, hin zu einem Bewußtsein, das keine Grenzen und keine Beschränkungen kennt? Die Menschen können Millionen und Abermillionen von Dollar ausgeben und jede Art von Forschung betreiben, um den Ort zu finden, wo das menschliche Bewußtseins lokalisiert sein könnte, dabei gibt es so etwas wie diesen Sitz des Bewußtseins gar nicht. Sie können es wohl versuchen – und sie werden viele Milliarden Dollar ausgeben, um es herauszufinden – aber die Chancen, daß sie damit Erfolg haben werden, sind äußerst gering. Es gibt diesen Sitz nicht, der im einzelnen Menschen lokalisiert sein soll. Was dort vorhanden ist, ist ein Gedanke. 

Wann immer dort ein Gedanke geboren wird, haben Sie eine Entität oder einen Punkt geschaffen, und bezogen auf diesen Punkt erfahren Sie die Dinge. Ist es Ihnen also möglich, etwas zu erfahren, wenn dieser Gedanke nicht vorhanden ist, oder können Sie auf ein dort nicht existierendes Ding Bezug nehmen? 

Jedesmal dann, wenn ein Gedanke geboren wird, werden auch Sie geboren. Das Denken ist seiner Natur gemäß kurzlebig, und wenn es einmal geboren ist, dann ist das auch schon sein Ende. Wahrscheinlich ist es das, was die traditionellen Lehren unter Wiedergeburt verstanden haben – Tod und Geburt und Tod und Geburt. Es ist nicht so, daß diese spezielle Entität, die selbst dann nichtexistent ist, während Sie am Leben sind, sich einer Reihe von Geburten unterzöge. Was diese Lehren meinten, ist der Zustand, in dem Tod und Geburt enden. 

Dieser Zustand aber kann nicht in Begriffen von Glückseligkeit, Liebe, Mitgefühl und all diesem poetischen Unsinn und romantischem Zeug beschrieben werden, denn Sie haben keine Möglichkeit, das zu erfahren, was zwischen diesen beiden Gedanken liegt. 

Auch Ihre Umwelt erleben Sie von diesem Gesichtspunkt aus. Es muß einen Punkt geben; und es ist dieser Punkt, der den Raum schafft. Wenn dieser Punkt nicht vorhanden ist, gibt es keinen Raum. Also ist alles, was Sie von diesem Punkt aus erfahren, eine Illusion. 

Es ist natürlich nicht so, daß die Welt eine Illusion wäre. Alle Philosophen der Vedanta in Indien, insbesondere die Schüler von Shankara, behaupten diesen absoluten, frivolen Unsinn. Die Welt ist keine Illusion, aber all das, was Sie in Beziehung auf diesen Punkt erfahren, der in sich selbst illusionär ist, muß notgedrungen auch eine Illusion sein. Das Sanskritwort ‘Maya’ bedeutet nicht ‘Illusion’ in dem Sinne, wie es im Deutschen gebraucht wird. ‘Maya’ heißt messen. Man kann nichts messen, ohne einen Ausgangspunkt zu haben. Wenn es also keinen Mittelpunkt gibt, gibt es auch keine Peripherie. Das ist ganz einfache, grundlegende Arithmetik. 

Dieser Punkt besitzt keine Kontinuität. Er entsteht dann, wenn die Situation es erforderlich macht. Die Erfordernisse der Situation schaffen diesen Punkt. Das subjektive Ich existiert dort nicht. Es ist das Objekt, welches das Subjekt schafft. Das steht im Gegensatz zum gesamten philosophischen Denken Indiens. Das subjektive Ich kommt und geht und kommt und geht als Reaktion auf die Dinge, die geschehen. Es ist das Objekt, das das Subjekt schafft und nicht das Subjekt, welches das Objekt schafft. Das ist ein einfaches physiologisches Phänomen, das getestet werden kann. Wenn es zum Beispiel dort kein Objekt gibt, ist hier auch kein Subjekt. Was das Subjekt schafft, ist das Objekt. 

Da ist Licht. Ohne Licht kann man nichts sehen. Das Licht fällt auf diesen Gegenstand, und die Reflexion dieses Lichts aktiviert die Sehnerven, die ihrerseits die Gedächtniszellen aktivieren. Wenn die Gedächtniszellen aktiviert sind, steht alles Wissen, das Sie über diesen Gegenstand haben, zur Verfügung. Es ist dieser Vorgang, der, indem er stattfindet, das Subjekt geschaffen hat. Und das Subjekt ist das Wissen, das Sie darüber haben. Das Wort ‘Mikrophon’ ist das Auge. Außer dem Wort ‘Mikrophon’ ist nichts da. Wenn Sie es so weit reduziert haben, dann spüren Sie, wie absurd es ist, über das Selbst zu sprechen – das niedere Selbst, das höhere Selbst, die Selbsterkenntnis, während man zusehends erkennt, daß das absoluter Blödsinn ist! Sie können sich in diesem absoluten Blödsinn verlieren und philosophische Theorien erstellen, und doch besteht die ganze Zeit über kein subjektives Ich. Es gibt kein Subjekt, das ein Objekt erschaffen würde. 

Also sind daran nicht nur das ‘Ich’, sondern auch alle physischen Empfindungen beteiligt. Das Gehör, die Geschmacksnerven, der Geruch- und der Tastsinn – eine jede dieser Empfindungen schafft notwendigerweise das subjektive Ich. Da ist kein kontinuierliches Subjekt, welches all diese Empfindungen ansammelt und anhäuft, um dann zu sagen „Das bin ich“, sondern alles ist sprunghaft und zusammenhangslos. Das Gehör ist eine dieser Empfindungen, das physische Sehen eine andere, und das Riechen ebenso (man sagt, daß der Mensch 4.000 Geruchsnuancen entwickelt hätte, die alle ohne Wert für das Überleben des Organismus sind). 

Die Schwingungen der Luft oder ein Druck auf die Haut lassen dort das Subjekt entstehen. Es kommt und geht, kommt und geht, kommt und geht. Das heißt es gibt keinerlei permanente Entität. Was es wirklich gibt (und was Sie das ‘Ich ‘nennen), ist lediglich ein Pronomen in der ersten Person Singular. Sonst nichts. Wenn Sie das Wort ‘Ich’ nicht verwenden wollen, um damit beweisen zu können, daß Sie ein Mensch ohne ‘Ich’ sind, so ist das Ihr gutes Recht! Aber es ist nichts da. Es gibt keine permanente Wesenheit. 

Während Sie leben verfügen Sie über ein Wissen, das nicht Ihnen gehört. Warum machen Sie sich also darüber Gedanken, was geschehen wird, wenn das ‘Ich’ verschwunden ist? Der physische Körper reagiert in jedem Augenblick aufs neue, ebenso wie die sinnlichen Wahrnehmungen. Die Redeweise, daß man ein Leben von einem Augenblick zum anderen führen sollte, indem man sich mittels des Denkens in einen besonderen Bewußtseinszustand versetzt, besitzt für mich keinerlei Bedeutung, außer im Sinne der physischen Funktionalität des Körpers. 

Wenn das Denken nicht ständig zugegen ist, ist das, was in jedem Augenblick vorhanden ist, lebendig. Es sind lauter Einzelbilder, wie in einem Film, viele Millionen davon. Dort gibt es keine Kontinuität, keine Bewegung. Das Denken kann niemals eine Bewegung begreifen. Dadurch, daß Sie einen Gedanken in Gang setzen, versuchen Sie, seine Bewegung zu erfassen; tatsächlich aber kann das Denken niemals irgendeine Bewegung festhalten, die um Sie herum stattfindet. 

Die Bewegung des Lebens ist eine Bewegung des Lebens dort draußen und hier. Sie gehören immer zusammen. 

Das Denken wird also nur zum Überleben dieses lebendigen Organismus benötigt. Wenn es gebraucht wird, ist es da. Ist es nicht vonnöten, dann ist es vollkommen unwichtig, ob es vorhanden ist oder nicht. Also läßt sich über diesen Zustand auch nicht in einer poetischen oder romantischen Sprache berichten. 

Falls es jemanden gibt, der sich in diesem Zustand befindet, wird er sich nicht irgendwo verstecken. Er wird wie ein Stern erstrahlen. Das Licht eines solchen Menschen läßt sich nicht unter den Scheffel stellen. Sehen Sie, es ist nicht leicht, zu einem Individuum zu werden. Denn das bedeutet, daß man ein ganz gewöhnlicher Mensch ist. Es ist sehr schwierig, ganz gewöhnlich zu sein. Sie wollen etwas anderes sein als Sie es sind. Man selbst zu sein ist ganz einfach, man muß überhaupt nichts dazu tun. Keine Anstrengungen sind vonnöten. Man muß keine Willenskraft gebrauchen, man muß gar nichts tun, um man selbst zu sein. Aber um etwas anderes zu sein als man wirklich ist, muß man viele Dinge tun.

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